„Freiwilliger“ Drogentest

Im aktuellen Kehrwieder (eine wöchentlich veröffentlichte regionale Zeitung für den Raum Hildesheim) gab es einen interessanten Bericht:

Nordstemmer Schulleitung alarmiert Polizei – und sorgt für politischen Protest
Wirbel um Drogentests an der Marienbergschule
(jan) Nordstemmen. Eine gemeinsame Aktion von Schulleitung, Landesschulbehörde und Polizei sorgt für Wirbel im Kultusministerium und im Landtag: Zivilbeamte testeten in der vergangenen Woche an der Nordstemmer Marienbergschule Schüler auf Drogenkonsum, holten die Jugendlichen für Urintests aus dem Unterricht. Landespolitiker von SPD, Grünen und Linken bewerten die Aktion kritisch, befürchten Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Jugendlichen. Christa Reichwaldt von den Linken erklärt, Schulleiter Friedel Reinecke habe seine Kompetenzen überschritten, und fordert eine Diskussion in den Fachausschüssen des Landtags. Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) will sich nun persönlich über die Details der Drogenkontrolle informieren lassen.
Die morgendliche Aktion am vergangenen Montag war nicht nur mit der Schulleitung abgesprochen – Schulleiter Friedel Reinecke selbst hatte die Polizei um Hilfe gebeten, einem schwerwiegenden Verdacht auf den Grund zu gehen. Seit einiger Zeit hatte es Gerüchte gegeben, Cannabisdealer wollten die Haupt- und Realschule im großen Stil für ihre Geschäfte nutzen und ihren Absatzmarkt unter Schülern vergrößern. Ermittlungen im Umkreis der Schule ergaben keine konkreten Hinweise, der Verdacht aber blieb. So entschied sich die Schulleitung in Absprache mit dem Kollegium und der Landesschulbehörde, den Vorschlag der Sarstedter Polizei anzunehmen: Zivilbeamte sollten zufällig ausgewählte Schüler auf Drogenkonsum testen, um einen Eindruck vom Missbrauch an der Schule zu bekommen.

So fischten die Polizisten schließlich 29 der insgesamt 435 Schüler heraus, die meisten zufällig – einige aber auch wegen eines nicht näher begründeten Verdachts – und testeten deren Urin auf Drogen.  Einige Schüler weigerten sich. Konkrete Zahlen nannte Sarstedts Polizeichef Hans Müller anschließend nicht, aber die Zahl der positiven Drogenbefunde soll sehr gering gewesen sein. Müller zeigte sich anschließend aber alles andere als beruhigt. Im Gespräch mit dem KEHRWIEDER sagte er: „Der Anfangsverdacht hat sich bestätigt. Es gibt da ein Problem an der Schule.“ Einwände, dass es vermutlich an jeder Schule mehrere Schüler gebe, die Cannabis konsumieren, will Müller nicht gelten lassen – die sei eher besorgniserregend, auf keinen Fall ein Grund zur Beruhigung. Er schließe auch weitere Kontrollen nicht aus, erklärte der Sarstedter Polizeichef.

Konkrete Hinweise auf Dealernetzwerke hat die Aktion nicht gebracht, die Beamten ermitteln nun bei den ertappten Schülern weiter: Woher stammen die Drogen, wann haben sie sie genommen, wie lange nehmen sie sie schon? Besorgt zeigte sich Müller über die Tatsache, dass an der Marienbergschule offensichtlich schon Zwölfjährige Drogen konsumieren. Er appelliert an die Eltern, ihrer  Fürsorgepflicht nachzukommen. „Dort liegt in erster Linie der Erziehungsauftrag. Es gibt leider eine Verlagerungstendenz dahin, dass Erziehungsaufgaben immer öfter von den Schulen übernommen werden müssen und letztlich die Polizei eingreifen muss.
Der Schulleiter der Marienbergschule will nun intensive Gespräche mit den Eltern führen und mit ihnen zusammen Ideen sammeln, wie Schule und Eltern gemeinsam noch mehr für die Drogenprävention tun können. Er verteidigt die Aktion als „mutig“ und hält sie nach wie vor für richtig. Mehr darf er nicht sagen: Aufgeschreckt durch den Wirbel im Landtag hat die Landesschulbehörde das Auskunftsrecht an sich gezogen.

Quelle: http://www.kehrwieder-verlag.de/epaper/20100516/pdf/0516_Kewi_HP_08.pdf

Noch interessanter ist ein Bericht eines Betroffenen, der sich geweigert hat an diesem (rechtlich wohl sehr bedenklichen) Test teilzunehmen:

An dem besagten morgen kam ich wie gewöhnlich in die Schule. Alles war normal. Wir hatten regulären Unterricht in unseren Räumlichkeiten. In der 3. Stunde kam mit einem mal ein Herr der Polizei Sarstedt mit dem Schulleiter in unseren Klassenraum. Er bat 3 Leute aus meiner Klasse hinaus, ohne Nennung von Gründen. Er hatte uns zufällig ausgewählt. Draußen wurde uns unter Beisein des Jugendamts, der Polizei und des Schulleiters erklärt das wir eine Urinprobe abgeben sollen um auf Drogenkonsum zu testen. Ich weigerte mich, da ich nicht einsah wieso ich mein Urin ohne Verdacht abgeben solle. Der Schulleiter erklärte mir unter Beisein der Polizei sofort was das für folgen hat. Meine Eltern sollten informiert werden, desweiteren wurde mir gesagt das die Polizei und die Lehrer jetzt ein Auge auf mich haben würden.

(Hervorhebung von mir)

Hoffentlich wird diesem Verhalten des Schulleiters und der Polizei bald schon ein Riegel vorgeschoben. Denn wenn ein Verdacht schon dazu aussreicht die Persönlichkeitsrechte anderer zu untermauern kann ja demnächst jeder einfach mal die Wohnung seines (ungeliebten) Nachbarn wegen eines „Verdachts“ von der Polizei durchsuchen lassen.

Neben der Reaktionen der im Landtag vertretenen Parteien wird übrigens auch bei der Piratenpartei über eine angemessene Reaktion beraten. Hierzu in den nächsten Tagen mehr.

Update: RTL Niedersachsen hat über die Aktion berichtet: http://www.rtlregional.de/player.php?id=10748 Ich persönlich finde es erschreckend, wie wenig sich die interviewten Schüler & Eltern über Persönlichkeitsrechte Gedanken machen!

7 Responses to “„Freiwilliger“ Drogentest”

  1. Wenn die Schilderungen zutreffend sind: Strafanzeige wegen Nötigung gegen den Schulleiter. ASAP.

  2. Fällt mir nur das wort Gestapo zu ein.. Überigens sagt glaube ich Artikel 1 des deutschen grundgesetz das die würdigkeit der person heilig ist. Ich frage mich was hieran würdig ist?

    Aber die deutschen sind selber schuld, sich ständig gegenseitig ans bein zu pinkeln, an zu zeigen. Das ist eine mentalität den ich (als holländer) nicht nachvollziehen kann.

    Reinecke passt da irgendwie gut rein. Cannabis, das ich nicht lache… Worum geht es hier eigentlich?

    Ich würde glatt die polizisten an die beine urinieren, mal sehen was dagegen machen können.

  3. Willkür wo man hinschaut. Wie soll das bloß enden? Da muss was geändert werden!

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